Der Ölpreis
Treiber wirtschaftlicher Auf- und Abschwünge, Kennzahl für den Erfolg und die politische Stabilität in Rohöl exportierenden Staaten, Lebensader der Weltwirtschaft und Klimakiller No. 1. Woher kommt die Faszination für das schwarze Gold?

Wie entsteht der Ölpreis an den Finanzmärkten?
Der Ölpreis an den Finanzmärkten ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage, das von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. In diesem Artikel werden wir genauer untersuchen, wie der Ölpreis entsteht und welche Hauptfaktoren diesen Prozess lenken.
1. Angebot und Nachfrage
Wie alle handelbaren Güter unterliegt die Preisbildung beim Rohöl dem Grundprinzip von Angebot und Nachfrage. Das bedeutet, dass der Preis eines Barrel Rohöl (rund 159 Liter) davon abhängt, wie viel aktuell auf dem Markt verfügbar ist (Angebot) und wie stark die Konsumenten danach verlangen (Nachfrage).
Signifikante Rohölverkommen in einer Qualität, die sich zur Weiterverarbeitung lohnt, gibt es nur in einer begrenzten Anzahl Länder. Da sich Petrorohstoffe zudem nur begrenzt durch andere Rohstoffe ersetzen lassen, bestimmen die Ölförderländer letztlich die Menge des verfügbaren Öls auf dem Markt. Mittels ihrer Ölförderquoten und Produktionsniveaus entscheiden etwa die Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) wieviel Rohöl dem Weltmarkt zur Verfügung gestellt wird.
Darüber beeinflussen geopolitische Ereignisse wie etwa Kriege im Nahen Osten, Naturkatastrophen und technische Probleme in den Ölfördergebieten das globale Angebot.
Dem Angebot gegenüber steht die globale Nachfrage nach Öl. In wirtschaftlich normalen Zeiten sind es vor allem eher langfristige Vorgänge wie technologische Neuerungen wie beispielsweise die Elektromobilität, oder Änderungen des Verbraucherverhaltens, zum Beispiel eine geringere Verwendung von Plastik, die zu Veränderungen der Nachfrage nach Rohöl führen.
Anders sieht es während starken Auf- beziehungsweise Abschwüngen aus. Im Aufschwung kommt es zu einem Nachfrageüberhang d.h. das Angebot an Rohöl kann mit der globalen Nachfrage nicht mithalten und der Rohölpreis schießt nach oben. Im wirtschaftlichen Abschwung, etwa wie zu Beginn der Pandemie 2020 und während der globalen Finanzkrise von 2008 zu beobachten, findet das globale Angebot deutlich weniger Abnehmer und der Preis bricht deutlich ein.
Abb. 1: Brent und WTI sind die am häufigsten zitierten Benchmarks
Ölpreis-Benchmarks
Um den Ölpreis an den Finanzmärkten zu bestimmen, werden verschiedene Rohöltypen als Benchmarks verwendet. Die beiden bekanntesten und am häufigsten zitierten Benchmarks sind Brent Crude und West Texas Intermediate (WTI), wie Abbildung 1 zeigt.
2. An welchen Sorten orientiert sich der Markt?
- Brent Crude: Brent-Öl ist eine Sorte von Rohöl, die aus den Ölfeldern in der Nordsee gewonnen wird. Es hat eine niedrigere Schwefelkonzentration als andere Ölsorten und wird daher als "leichtes, süßes" Rohöl bezeichnet. Brent-Öl dient als internationaler Benchmark für den Ölpreis und wird zur Herstellung von Benzin, Diesel und anderen Produkten verwendet. Die größten Produzenten von Brent-Öl sind Norwegen, das Vereinigte Königreich, Dänemark und die Niederlande. Die größten Exporteure sind Saudi-Arabien, Russland, das Vereinigte Königreich, Norwegen und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Handel mit Brent-Öl erfolgt hauptsächlich an der Intercontinental Exchange (ICE) in London.
- WTI: WTI steht für West Texas Intermediate und bezieht sich auf eine Sorte von Rohöl, das in den Vereinigten Staaten gefördert wird. Es gilt als "leichtes, süßes" Rohöl und dient als Benchmark für den Ölpreis in Nordamerika. WTI-Öl wird zur Herstellung von Benzin und anderen Ölprodukten verwendet. Die größten Produzenten von WTI-Öl sind die Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko. Die größten Exporteure sind die Vereinigten Staaten und Kanada. Der Handel mit WTI-Öl findet an verschiedenen Börsen statt, darunter die New York Mercantile Exchange (NYMEX) und die Chicago Mercantile Exchange (CME).
Spot-Märkte, Physischer Handel, Terminmärkte und Derivate
3. Spot-Markt und Physischer Handel
Der am Spotmarkt erzielte Preis für Rohöl und Raffinerieprodukte bezieht sich auf den Handel mit großen physischen Ladungen zur kurzfristigen beziehungsweise unmittelbaren Lieferung.
Bei den Käufern und Verkäufern auf dem Spotmarkt handelt es sich in erster Linie um Rohölproduzenten, Raffinerien, professionelle Handelsunternehmen und große Händler oder Verbraucher von Erdölerzeugnissen (z. B. große Kraftstoffeinzelhändler, Fluggesellschaften, Kraftstoffgroßhändler).
Bei Spotgeschäften werden physische Rohöl- oder Produktmengen an einem bestimmten Ort ausgetauscht. Rohöltransaktionen werden daher in der Regel am Ort der Verladung auf einen Tanker oder in eine Pipeline in der Nähe des Fördergebiets getätigt. Die Preise für diese Geschäfte werden von dritten Preisbewertungsagenturen (Platts, Argus) ermittelt und in der Regel als tägliche Spotpreisbewertung veröffentlicht. Diese veröffentlichten Spotpreise bilden die Grundlage, an der sich die meisten Preise für Terminverträge orientieren[¹].
Zwar macht dieser Markt nur einen kleinen Teil des gesamten Rohölmarktes aus - als Bezugsgröße für die Preisbildung an den Terminmärkten spielt er allerdings eine entscheidende Rolle.
4. Terminmärkte und Derivate
Für die Bestimmung des globalen Ölpreises spielt der Handel an den Termin- und Devisenmärkten eine entscheidende Rolle. Diese Märkte bieten eine Plattform für Investoren, Händler und Unternehmen, um auf zukünftige Preisbewegungen von Rohöl zu spekulieren, sich gegen diese Preisschwankungen abzusichern und physisches Öl zu handeln, ohne es tatsächlich besitzen zu müssen. Öl-Futures-Kontrakte sind das Herzstück dieser Märkte. Diese Kontrakte legen fest, dass eine bestimmte Menge Rohöl zu einem festgelegten Preis und zu einem zukünftigen Zeitpunkt geliefert oder übernommen wird. Der Öl-Futures-Handel findet an verschiedenen Börsen statt, darunter die New York Mercantile Exchange (NYMEX) und die Intercontinental Exchange (ICE).
Die Bedeutung dieser Termin- und Derivatemärkte erstreckt sich über die reine Preisfeststellung hinaus. Sie ermöglichen es Ölproduzenten, Raffinerien, Fluggesellschaften und anderen Unternehmen, sich gegen Preisschwankungen abzusichern.
Ein Beispiel: Ein Ölproduzent kann einen Futures-Kontrakt verkaufen, um sich vor einem möglichen Preisrückgang abzusichern. Wenn der Preis tatsächlich fällt, kann der Verlust im physischen Verkauf des Öls durch den Gewinn im Futures-Kontrakt ausgeglichen werden. Auf der anderen Seite können spekulativ orientierte Trader Öl-Futures nutzen, um von Preisbewegungen zu profitieren, ohne das physische Öl tatsächlich in Besitz nehmen zu müssen.
Alles in allem sind die Termin- und Derivatemärkte entscheidend für die Liquidität und Effizienz des globalen Ölhandels. Sie bieten eine Möglichkeit für verschiedene Akteure, ihre Risiken zu managen und in den Markt einzusteigen. Gleichzeitig beeinflussen sie durch spekulative Handelsaktivitäten und Nachfrage nach Futures-Kontrakten die kurzfristige Preisgestaltung.
Die Wechselwirkungen zwischen diesen Märkten und den physischen Ölmärkten sind komplex und bilden das Rückgrat des globalen Ölhandels, der die Grundlage für die Energieversorgung und die wirtschaftliche Stabilität in vielen Teilen der Welt bildet.
Volatilität und politische Einflussfaktoren auf den Ölpreis
Die Volatilität des Ölpreises ist ein markantes Merkmal der Ölmärkte und wird oft durch politische Ereignisse und geopolitische Spannungen verstärkt. Politische Faktoren können erhebliche Auswirkungen auf das Angebot und die Nachfrage nach Rohöl haben, was zu plötzlichen Preisschwankungen führt. Ein klassisches Beispiel ist die geopolitische Instabilität in wichtigen Ölproduzentenregionen wie dem Nahen Osten. Konflikte, politische Umwälzungen oder Sanktionen in Ländern wie dem Irak, Iran, Venezuela oder Libyen können die Ölförderung beeinträchtigen und die Angst vor einem Angebotsausfall auslösen, was zu einem Anstieg der Preise führt.
Darüber hinaus können politische Entscheidungen und Maßnahmen von Regierungen und internationalen Organisationen den Ölmarkt erheblich beeinflussen. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und andere wichtige Produzenten haben die Fähigkeit, ihre Förderquoten anzupassen und somit das Angebot zu steuern. Die Ankündigung einer Produktionskürzung oder -erhöhung durch die OPEC kann erhebliche Preisschwankungen auslösen. Ebenso können politische Entscheidungen, wie beispielsweise Handelssanktionen oder Handelsabkommen, die Handelsströme und die Wirtschaftsentwicklung beeinflussen und damit die Ölnachfrage beeinflussen.
Die Interaktion von Politik und Ölpreisen ist jedoch komplex und facettenreich. Die Energiepolitik von Regierungen, Umweltauflagen und das Streben nach erneuerbaren Energien können langfristige Auswirkungen auf die Ölnachfrage haben. Zum Beispiel können staatliche Anreize für Elektrofahrzeuge oder erneuerbare Energien die Ölnachfrage in bestimmten Sektoren verringern. Gleichzeitig kann politische Unterstützung für die Öl- und Gasindustrie die Förderung und das Angebot steigern.
Insgesamt verdeutlichen diese politischen Einflussfaktoren, dass der Ölmarkt nicht nur von Angebot und Nachfrage an sich bestimmt wird, sondern auch von politischen Entscheidungen und Entwicklungen auf der globalen Bühne beeinflusst wird. Investoren und Marktteilnehmer müssen daher ständig auf politische Nachrichten und Ereignisse achten, da diese die Volatilität und Richtung des Ölpreises erheblich beeinflussen können.
Bedeutung für die Weltwirtschaft
Die weltwirtschaftliche Bedeutung des Ölpreises ist kaum zu überschätzen. Rohöl ist eine der wichtigsten und am meisten gehandelten Rohstoffe der Welt, und der Preis für dieses "schwarze Gold" hat weitreichende Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Hier sind einige Schlüsselaspekte, die die weltwirtschaftliche Bedeutung des Ölpreises verdeutlichen:
- Energieversorgung: Öl ist die Hauptquelle für Energie auf globaler Ebene. Es wird sowohl in der Mobilität (Verkehrssektor) als auch in der Energieerzeugung (Stromerzeugung) verwendet. Der Ölpreis hat direkte Auswirkungen auf die Energiekosten, die Verbraucher, Unternehmen und Regierungen tragen müssen. Steigende Ölpreise können zu höheren Kosten für den Transport von Gütern und Personen führen, was die Inflation antreiben kann.
- Wirtschaftswachstum: Der Ölpreis ist eng mit dem Wirtschaftswachstum verknüpft. In Zeiten steigender wirtschaftlicher Aktivität steigt die Nachfrage nach Öl, was die Preise erhöhen kann. Umgekehrt können niedrige Ölpreise wirtschaftliche Anreize schaffen, da sie die Kosten für Unternehmen senken und den Verbrauchern mehr Geld in die Taschen geben.
- Inflation: Ölpreissteigerungen können die Inflation anheizen, da sie die Kosten für viele Güter und Dienstleistungen erhöhen. Dies kann wiederum die Zentralbanken dazu veranlassen, ihre Geldpolitik anzupassen, um die Inflation zu kontrollieren.
- Handelsbilanz und Devisenmärkte: Länder, die Nettoimporteure von Öl sind, sind stark von Ölpreisbewegungen betroffen. Steigende Ölpreise können die Handelsbilanz verschlechtern und den Wert der heimischen Währung beeinflussen, da mehr Geld für den Import von Öl ausgegeben wird.
- Investitionen und Unternehmensstrategien: Unternehmen in verschiedenen Branchen, von der Automobilindustrie bis zur Luftfahrt, müssen ihre Geschäftsstrategien anpassen, um mit Ölpreisschwankungen umzugehen. Dies kann Investitionen in effizientere Technologien und alternative Energiequellen fördern.
- Geopolitische Spannungen: Der Ölpreis ist oft von geopolitischen Spannungen in wichtigen Ölproduktionsregionen betroffen. Konflikte oder politische Unsicherheiten können die Ölversorgung beeinträchtigen und Preisschwankungen auslösen.
- Übergang zu erneuerbaren Energien: Der Ölpreis hat auch Auswirkungen auf den Übergang zu erneuerbaren Energien. Niedrige Ölpreise können die Attraktivität von erneuerbaren Energien verringern, während hohe Ölpreise Anreize für Investitionen in alternative Energieträger schaffen.
Fazit
Insgesamt ist der Ölpreis ein Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche Stabilität und das Wachstum in vielen Ländern und Regionen der Welt. Die Abhängigkeit von Öl als Energiequelle macht die Weltwirtschaft anfällig für Ölpreisschwankungen, und Regierungen, Unternehmen und Investoren müssen aktiv Strategien entwickeln, um mit diesen Schwankungen umzugehen und sich auf eine Zukunft mit weniger Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen vorzubereiten.