Moderne Portfoliotheorie
Erfahre, wie die moderne Portfoliotheorie von Harry M. Markowitz die Anlagestrategien mit ihrem Schwerpunkt auf Diversifizierung und Risikomanagement revolutioniert hat und wie Du solch ein Portfolio bauen kannst.

Einführung in die Portfoliotheorie
Investitionen können komplex und überwältigend sein, vor allem angesichts der Vielzahl der verfügbaren Optionen und Strategien. Nahezu alle Anleger streben jedoch nach möglichst hohen Renditen bei relativ geringem Risiko.
Die moderne Portfoliotheorie war der erste Ansatz, der systematisch versucht hat, Risikominimierung und Renditemaximierung zusammenzubringen. Bis heute bildet dies das Fundament bei der Auswahl von Produkten und Finanzinstrumenten zur Konstruktion eines Anlageportfolios. Lass uns in diese faszinierende Theorie eintauchen und entdecken, wie sie Dir helfen kann, Dich gegen starke Schwankungen deines Portfolios abzusichern.
Worum geht es bei der Modernen Portfoliotheorie?
Die 1952 von Harry M. Markowitz am RAND Institute entwickelte Moderne Portfoliotheorie (MPT) hat gezeigt, dass es (oft) nicht ausreicht, nur einzelne leistungsstarke Aktien oder Vermögenswerte auszuwählen. Wichtig ist es stattdessen zu prüfen, wie Aktien und andere Finanzprodukte wie etwa Anleihen in einem Portfolio zusammenwirken. Dies ist vor allem der Fall, wenn Deine Anlagestrategie kurzfristiger ausgerichtet ist, z.B. bei einem Anlagehorizont der nur über wenige Jahre geht.
Kerngedanke der MPT ist, dass durch eine Kombination von Vermögenswerten, die sich in bestimmten Marktsituationen in unterschiedliche Richtungen bewegen, das Gesamtrisiko reduziert und stabilere, langfristige Erträge erzielt werden können.
Drei Parameter beschreiben dabei den Beitrag jeder einzelnen Anlage zum Ergebnis des Gesamtportfolios:
- die erwartete zukünftige Rendite jeder Anlage, beispielsweise gemessen durch langfristige Wachstumsraten
- die Schwankungsbreite der Renditen jeder Anlage – als Ausdruck des Risikos (gemessen als Standardabweichung bzw. Varianz),
- vor allem aber die Entwicklung der einzelnen Anlagen zueinander (gemessen als Korrelation).
Aus einer Kombination dieser drei Faktoren ergibt sich das folgende Szenario: Mehr Rendite bei gleichem Risiko oder weniger Risiko bei gleicher Rendite. Durch die geschickte Wahl eines diversifizierten Portfolios lässt sich so (in der Theorie) sicherstellen, dass dieses Portfolio jeder Investition in nur eine einzelne Anlage überlegen ist.
Aufgrund der Revolution, die Markowitz MPT für die Portfolio-Auswahl darstellte, wurde er 1990 mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften zusammen mit Merton H. Miller und William F. Sharpe ausgezeichnet.
Risiko in der Praxis managen
Die MPT geht davon aus, dass Anleger
sind: Dies bedeutet, dass sie, wenn sie sich für ein bestimmtes Renditeniveau, z.B. 5%, zwischen einem riskanten und einem weniger riskanten Portfolio entscheiden müssten, immer das weniger riskante vorziehen würden. Ein einfaches Beispiel aus der Praxis ist die Beimischung von Anleihen, die als relativ sichere Anlagen gelten. Stellen wir uns folgendes hypothetisches Szenario vor:Abb.1: Rendite-Risiko-Kurve hilft bei der Portfolioauswahl

In obigem Beispiel war die Auswahl sehr einfach, aber wie sieht die Rendite eines etwas diversifizierteren Portfolios in der Praxis aus? Fangen wir vielleicht mit einer Definition bzw. beispielhaften Darstellung wie Rendite und Risiko zu berechnen sind an.
Erwartete Rendite
Die erwartete Rendite des Portfolios wird als gewichtete Summe der Renditen der einzelnen Vermögenswerte berechnet. Wenn ein Portfolio vier gleich gewichtete Vermögenswerte à 25% mit erwarteten Renditen von 3 %, 5 %, 7 % und 18 % enthielte, wäre die erwartete Rendite des Portfolios daher:
Risiko
Das Risiko eines Portfolios zu berechnen ist etwas komplizierter. Während sich die erwartete Rendite aus dem gewichteten (arithmetischen) Mittel aller Vermögenswerte ergibt, müssen beim Portfoliorisiko Kovarianzen, d.h. zusätzliche Effekte, dass man eine Kombination verschiedener Vermögenswerte hält, berücksichtigt werden. Für die Berechnung des Risikos eines Portfolios mit vier Vermögenswerten benötigt ein Anleger die Varianzen der vier Vermögenswerte und sechs Korrelationswerte, da es sechs mögliche Kombinationen von zwei Vermögenswerten in einem Portfolio mit vier Vermögenswerten gibt. Die Formel für die Portfoliovarianz ist in diesem Fall etwas länger

wobei der vordere Summenteil die gewichteten Varianzen der einzelnen Vermögenswerte berechnet und der hintere Teil die sechs möglichen Kombinationen der Kovariation zwischen den Vermögenswerten 1 bis 4. Um das Risiko des Portfolios zu berechnen wird nun die Wurzel gezogen, was wie folgt aussieht:

Am letzten Teil der Portfolio-Risiko-Formel lässt sich nun auch erkennen, warum ein diversifiziertes Portfolio das Gesamtrisiko mindern kann, aber nicht notwendigerweise muss:
In diesem Sinne ist die Rendite einer einzelnen Anlage weniger wichtig als ihr Gesamtbeitrag zum Portfolio in Bezug auf Risiko, Rendite und Diversifizierung.
Was ist die Effizienzgrenze?
Die moderne Portfoliotheorie (MPT) war ein Durchbruch in der persönlichen Geldanlage. Letztlich lässt sich aus ihr schlussfolgern, dass ein konservativer oder risikoscheuer Anleger mit einer Mischung aus risikoarmen und risikoreicheren Anlagen in der Regel besser abschneidet, als wenn er sich ausschließlich für ein rein risikoarmes Portfolio entscheidet. Noch wichtiger ist, dass die lohnendere Option kein höheres Gesamtrisiko darstellt. Dies ist die Schlüsseleigenschaft der Portfoliodiversifizierung.
Die Idee für jedes mögliche Risiko ein die Rendite maximierendes Portfolio zu wählen, lässt sich am besten mittels der Effizienzgrenze darstellen. Die Effizienzgrenze ist die Menge der optimalen Portfolios, die für ein bestimmtes Risikoniveau die höchste erwartete Rendite oder für ein bestimmtes Renditeniveau das niedrigste Risiko bieten. Portfolios, die unterhalb der Effizienzgrenze liegen, sind suboptimal, da sie nicht genügend Rendite für das Risikoniveau bieten. Portfolios, die rechts von der Effizienzgrenze liegen, sind suboptimal, weil sie ein höheres Risiko für die festgelegte Rendite aufweisen.
Noch deutlicher lässt sich dies anhand Abb.2 visualisieren, wo für ein gegebenes Risiko, z.B. bei 0.5 alle Porfolios (in orange) unterhalb der blauen Linie bei gleichem Risiko eine schlechtere Rendite haben, als das Portfolio, welches für ein Risiko von 0.5 direkt auf der Effizienzgrenze (blaue Linie) liegt.
Abb.2 Effiziente Portfolioauswahl für ein gegebenes Risiko

Welche Einschränkungen der MPT sind zu beachten?
Keine Strategie ist das Allerheilmittel für die perfekte Strategie am Aktienmarkt. Das gilt natürlich auch für die MPT. Obwohl sie ein nützliches Werkzeug zur Bewertung von Investitionsrisiken und zur Portfoliooptimierung ist, können folgende Punkte ihre Aussagekraft möglicherweise einschränken. Darunter fallen vor allem:
- Annahmen über die Marktverhältnisse: Wie viele moderne Finanzmarkttheorien setzt die MPT voraus, dass alle Investoren rational handeln und risikoscheue Entscheidungen treffen. Ferner fallen sie diese Entscheidungen auf der Grundlage der gleichen Informationen. Auch wenn Märkte in "normalen" Zeiten sich im Aggregat so darstellen, als ob alle Einzelakteuere sich rational verhielten, hält so eine Annahme einem Praxistest auf der individuellen Ebene kaum stand. Jeder von uns hat bestimmt schon mal gezockt und es ist selbsterklärend, dass Anleger teils sehr unterschiedlichen Zugang zu Informationen haben.
- Historische Daten: Die MPT verwendet historische Renditen, um die zukünftige Performance zu prognostizieren. Dies kann problematisch sein, da vergangene Leistungen nicht immer ein verlässlicher Indikator für zukünftige Ergebnisse sind, insbesondere in instabilen oder sich schnell ändernden Märkten.
- Korrelation und Volatilität: Die Theorie nimmt an, dass die Korrelationen und Volatilitäten der Vermögenswerte im Zeitverlauf stabil bleiben. In der Realität können sich diese jedoch schnell ändern, besonders in Krisenzeiten, was die Zuverlässigkeit der MPT in Frage stellt.
- Konzentration auf Varianz und Standardabweichung: Die MPT konzentriert sich auf Varianz und Standardabweichung als Maße für das Risiko. Kritiker argumentieren, dass diese Maße nicht alle Arten von Risiken erfassen, insbesondere das Risiko von extremen Verlusten (sogenanntes "Tail-Risk"), das durch diese Maße möglicherweise unterschätzt wird.
- Praktische Umsetzbarkeit: Die Identifizierung der Effizienzgrenze und die Auswahl des optimalen Portfolios erfordern genaue und umfangreiche Daten über die erwarteten Renditen, Varianzen und Korrelationen aller verfügbaren Anlagen. In der Praxis ist dies schwierig zu erreichen und die Anzahl möglicher Korrelationen zwischen einzelnen Vermögenswerten steigt in den exponentiellen Bereich, je größer die Anzahl Titel in einem Depot ist.
- Negation von Short-Selling Beschränkungen: In vielen realen Investitionssituationen gibt es Beschränkungen für Short-Selling, die in der klassischen Formulierung der MPT nicht berücksichtigt werden. Das kann dazu führen, dass die vorgeschlagenen Portfolios nicht immer umsetzbar sind.
Viele der in dieser Aufzählung besprochenen Punkte betreffen nicht allein die Moderne Portfolio Theorie, sondern ziehen sich durch die moderne Finanzliteratur. Umso wichtiger ist es, auch Theorien und Strategien kennenzulernen, die diese Probleme nicht haben, bzw. anders damit umgehen. Ein Beispiel ist die Value-Investing-Strategie, die wir
erklären.