Finger weg vom Gratis-ETF
In diesem Artikel räumen wir mit einem beliebten und von der Finanzindustrie genutzten Denkfehler beim passiven Investieren auf: ETFs ohne Ausgabeaufschlag sind zwangsläufig günstiger als ETFs ohne zusätzlichen Aufpreis beim Kauf.

Irrtümer beim Investieren in ETFs die Dich viel Geld kosten
Was kostenlos ist, ist nicht immer die billigste Lösung und kann in bestimmten Situation auch richtig teuer werden. In diesem Artikel wollen wir Euch anhand eines kleines Rechenbeispiels für die versteckten Kosten von ETFs sensibilisieren. Tatsächlich beruht es auf einem Fehler, den ich selbst gemacht habe und erst nach einiger Zeit korrigert habe.
Mein erster Fehler großer Fehler beim passiven Investieren
Als ich im Jahr 2018 mein Depot eingerichtet habe, bot mein damaliger Broker sogenannte "Top-Preis ETFs" an. Für den Fall der regelmäßigen Einzahlung mittels eines Sparplans entfiel der Ausgabeaufschlag von normalerweise 1,5% auf den Anlagebetrag. Die Gesamtkostenquote des ETF war mit 0,18% verhältnismäßig günstig.
Etwa ein halbes Jahr später erhielt ich die Mitteilung, dass dieses "Top-Preis ETF"-Angebot auslief und ich ab dem nächsten Monat einen Aufschlag auf den Anlagebetrag zahlen müsste, um diesen ETF weiterhin besparen zu können.
Da mein Gesamtdepotvolumen insgesamt noch relativ klein war und ich - sensibilisiert durch Youtube-Videos, Blog-Posts und Bücher - unnötige Gebühren unbedingt vermeiden wollte, stoppte ich mein monatliches Engagement in diesen ETF und entschied für einen anderen, erneut provisionsfreien ETF.
Instinktiv habe ich wahrscheinlich getan was viele von Euch machen würden. Zwar hatte der Fonds, den ich stattdessen wählte, hatte eine höhere TER - 0,45 % pro Jahr. Dennoch dachte ich mir, dass dies viel billiger sein müsste als bereits beim Kauf 1,5 % im Voraus zu verpulvern.
Aber war das wirklich eine kluge Entscheidung?
Warum das nicht der Fall war und wie ich besser an diese Problemstellung herangegangen wäre, zeigen wir Euch im Rechenbeispiel unten.
Spoiler Alert: Es war nicht so klug und wäre mich langfristig relativ teuer zu stehen gekommen, wenn ich nicht rechtzeitig die Kostenbremse gezogen hätte.
Eine höhere TER schadet Deiner Rendite auf lange Sicht
Zur Veranschaulichung nehmen wir an, dass Du wie ich ein der Typ langfristiger Anleger bist, der plant, mindestens fünfzehn Jahre lang zu investieren. Jeden Monat investierst Du 100 € entweder in
- ETF A (0,18 % TER p.a.+1,5% Kommission)
oder in
- ETF B (0,45% und keine Kommission).
Zudem nehmen wir an, dass beide ETFs im Durchschnitt den gleichen Tracking Error haben. Stellen wir uns nun zwei verschiedene Szenarien vor. In Szenario 1 haben sowohl ETF A und ETF B eine annualisierte Rendite von 6 %. In Szenario B hingegen sind wir optimistischer und stellen uns vor, dass beide ETFs eine annualisierte Rendite von 15 % erzielen.
Abbildung 1 zeigt, wie die sich der Unterschied in der Kostenstruktur der beiden ETFs in den beiden Szenarien auswirkt. Die Differenz in Euro ergibt sich aus dem Portfoliowert von ETF A abzüglich dem Portfoliowert von ETF B im jeweiligen Szenario.
Abb.1: Gratis-ETFs mit höherer TER sind langfristig teurer

Bewertung der Kosten der beiden ETFs
Zwei Dinge stechen in Abbildung 1 ins Auge:
- Obwohl Du eine Kaufprämie zahlst, ist ETF A dem ETF B auf lange Sicht kostenmäßig überlegen.
- Je höher die Rendite, desto größer wird der Unterschied zwischen ETF A und ETF B.
Nach fünfzehn Jahren und bei 6 % jährlicher Rendite beträgt der Unterschied zwischen ETF A und ETF B bereits 20 % Deines jährlichen Anlagebetrags. Bei 15 % jährlicher Rendite beträgt dieser Unterschied sogar 57 % Deines jährlichen Anlagebetrags. Lass mich das noch einmal wiederholen: SIEBENUNDFÜNFZIG PROZENT. Tendenz steigend.
Während eine Gesamtkostenquote von 0,18% bereits relativ günstig ist, verdoppelt sich die Ersparnis (bzw. die Kosten!) wenn man einen kostenlosen, aber TER-teuren ETF wie ETF B mit einem ETF wie dem IShares S&P 500 Core (0,08% TER) vergleicht.
Warum fallen wir so leicht auf diesen Fehler herein?
Mich hat die Berechnung aus obigem Beispiel wirklich überrascht. Nennt es naiv, aber ich denke es zeigt viel mehr, dass wir leicht einem weit verbreiteten kognitiven Irrtum aufsitzen.
Es ist für uns einfach, jeden Monat 1,5 % von einer festen Anlagesumme abzuziehen. Vorallem bei höheren Beträgen, ab 500 Euro, 1000 Euro, oder 5000 Euro fragt man sich aber, ob sich die 7,50 Euro, 15 Euro oder 75 Euro Gebühren beim Kauf wirklich lohnen. Die entstandenen Kosten können wir leicht im Kopf überschlagen.
Sich im Gegenzug aber vorzustellen, wie sich eine mehr als doppelt so hohe Verwaltungsgebühr auf die Gesamtrendite auswirken würde, übersteigt die Vorstellungskraft unseres einfachen Verstandes, vor allem wenn wir das im Kopf und ohne Excel-Spreadsheet versuchen.
Immer dann wenn in finanziellen Belangen auch kleine Beträge oder Veränderungen langfristig eine große Rolle spielen kommt der Zinseszinseffekt ins Spiel. Auch Albert Einstein wusste bereits um dieses Phänomen. Auf die Frage nach der stärksten Kraft im Universum antwortete er spontan: „Das ist der Zinseszins.”
Im Fall von ETF B wirkt sich dieser Effekt (durch die hohen Gesamtkosten) leider nachteilig im Vergleich zu ETF A aus. Theoretisch, für ein sehr großes Portfolio und einen relativ geringen monatlichen Anlagebetrag wie 50 Euro oder 100 Euro kann ein Gesamtkostenunterschied von wenigen Basispunkten bereits trotz Ausgabeaufschlag beim minimal günstigeren ETF einen gewaltigen Unterschied machen.
Was mache ich seitdem anders?
Mit dieser Erkenntnis achte ich noch mehr darauf, was ich eigentlich für ein Produkt kaufe. Noch ist die TER eine wichtige Kennzahl für Kostenvergleiche, vor allem passiv-verwalteter
. Hier möglichst kostengünstige ETFs zu erwischen ist entscheidend.Doch die Gesamtkostenquote verrät nicht alles über die Gebührenstrukturen eines Fonds und ist deshalb nur ein Näherungswert. Allein auf die TER zu schauen, und keine weiteren Kennzahlen zu berücksichtigen wäre daher ebenfalls fahrlässig.
Was im Rückblick wahrscheinlich extrem logisch erscheint, war mir als Anfänger aber nicht wirklich klar. Vielleicht habe ich es auch einfach nur verdrängt, wollte mich damit nicht auseinandersetzen oder habe mich wie das auch im Alltag schnell passieren kann vom "kostenlos"-Effekt beeindrucken lassen.